„Ich bin überglücklich“, berichtet Emel Aktas. Die 23-Jährige aus Kaufbeuren hat ihre Ausbildung zur Friseurin erfolgreich am Berufsbildungswerk im KJF Berufsbildungs- und Jugendhilfezentrum Sankt Georg in Kempten abgeschlossen. „Es war für mich eine sehr große Erleichterung“. Auch ihre Mutter ist begeistert: „Das ist für uns wie ein Sechser im Lotto.“ Und wer die Lebensgeschichte von Emel Aktas kennt, weiß, dass dieser Erfolg, gar nicht hoch genug bewertet werden kann und der Abschluss der Ausbildung alles andere als selbstverständlich war.
Weil Emel mit nur einer Herzkammer geboren wird, muss ihr ein neues Herz transplantiert werden. Der Körper nimmt das Herz an. Doch auf viele Dinge, die für andere Kinder normal waren, muss Emel in der Folge verzichten, keine Schwimmbadbesuche, kein Eis aus der Eisdiele und auch der Speiseplan war äußerst ausgedünnt. Aus Sorge vor Keimen, Viren und Bakterien muss Emel stets vorsichtig sein. Ihr Leben ist geprägt von Verzicht. Zudem gibt es immer wieder längere Klinikaufenthalte, die zu langen Fehlzeiten in der Schule führen. Dennoch schafft Emel den Mittelschulabschluss über ein Berufsvorbereitungsjahr in einer Förderberufsschule in Peiting.
Emel verwirklicht ihren Traum Friseurin zu werden
Während eines Praktikums in einem Friseursalon findet Emel gefallen an dem Beruf der Friseurin. „Der Umgang mit Kunden macht mir sehr viel Spaß. Und auch das Haareschneiden und stylen liegt mir“, berichtet sie. Es ist ihr Traum, einen „normalen Beruf“ zu lernen - wie alle anderen auch. Emel will keine Sonderbehandlung.
2016 beginnt sie mit ihrer Ausbildung zur Friseurin über Die Kolping Akademie Kaufbeuren in einem Friseursalon. Dazu besucht sie die Fachklasse an der Berufsschule Sankt Georg in Kempten. Es mangelt der lebensfrohen Emel nicht an Enthusiasmus und Willenskraft. Aber Emel ist aufgrund ihres Spenderherzes nicht so belastbar, kann sich nicht so lange konzentrieren. Phasen konzentrierter Arbeit folgt meist eine große Erschöpfung und damit verbunden sind häufige Fehlzeiten. Die Situation belastet Emel und nagt vor allem an ihrem Selbstbewusstsein. Sie ist kurz davor aufzugeben.
Durch ihren Berufsschulbesuch kennt Emel auch den Friseursalon am KJF Berufsbildungswerk (BBW) Sankt Georg in Kempten. 2019 kann Emel in Absprache mit ihrem Reha-Berater von der Agentur für Arbeit ans BBW wechseln und ihre Lehre im Ausbildungssalon „Schnittstelle“ fortsetzen. Dort gehen die Ausbilderinnen gezielt auf Emel ein und passen das Ausbildungskonzept gemeinsam mit den Lehrkräften der KJF Berufsschule Sankt Georg individuell auf sie an. In Abstimmung mit dem Reha-Berater der Agentur für Arbeit werden die Arbeitszeiten und die Vermittlung der Ausbildungsinhalte auf den jeweiligen Gesundheitszustand Emels ausgerichtet. „Wir haben unsere Ausbildung ganz speziell auf Emels Bedürfnisse angepasst“, berichtet Petra Jäger, Friseur-Ausbilderin am BBW Sankt Georg.
Das Konzept bewährt sich, Emel bringt stabil und kontinuierlich ihre Leistungen im Salon und in der Berufsschule. Emel schafft es mit „ihrem eingeschworenen Team aus Lehrkräften, Ausbilderinnen und Fachdienst“ sich auch während des Lockdowns gut auf die Berufsabschlussprüfung vorzubereiten. „Gerade in den letzten Wochen vor der Prüfung haben wir Emel aufgrund der Kontaktbeschränkungen auf allen Kanälen unterstützt. Das klappte über Facetime, WhatsApp und schulische Videokonferenzen mit MS Teams. So konnte sich Emel zu Hause gezielt vorbereiten“, erinnert sich Jäger zurück. „Wir alle haben an Emel geglaubt und sind daher entsprechend glücklich, dass sie die Gesellenprüfung bestanden hat. Sie hat es einfach verdient.“ Heute ist Emel Aktas glücklich, dass sie den Weg zuerst an die Berufsschule und damit verbunden auch ans BBW Sankt Georg gefunden hat. „Ich habe hier wirklich viel gelernt und konnte meinen Traum verwirklichen. Wäre ich nicht nach Sankt Georg gekommen, hätte ich es wohl nie geschafft“, ist sie sich sicher.